1989–2002

EXPANSION IN OST UND WEST

Mit dem 9. November 1989 bricht für die EDEKA Minden-Hannover eine neue Ära an: Voller Pioniergeist erschließen die Mindener den ostdeutschen Markt und nehmen nur wenige Wochen nach dem Mauerfall die Belieferung der ersten Geschäfte auf. In Sachsen-Anhalt entstehen in der Wendezeit zahlreiche EDEKA-Märkte, C+C-Betriebe, Lager­hallen und Produktionsstandorte für Bauerngut (Fleisch- und Wurstwaren) und Schäfer’s (Brot- und Back­waren) – und sorgen für ein rasantes Wachstum.

Im Jubiläumsjahr 1995 liegt der Umsatz bei 4,6 Mil­liarden D-Mark. Um nach dem Einstieg beim ­Berliner Supermarktbetreiber Reichelt das deutlich ­größere Absatzgebiet effektiv versorgen zu können, erarbeitet das Unternehmen Mitte der 1990er-Jahre das Neue Logistik-Konzept. An der Schwelle zum 21. Jahrhundert wächst die EDEKA Minden-­Hannover weiter – und übernimmt unter anderem 78 V-Märkte der Wilhelm Klages KG.

Marktschreier auf der Laderampe

EDEKAner
IM
FOKUS

Es ist noch dunkel, als sich der EDEKA-Kaufmann Marco Bahrs an diesem Sonntagmorgen mit seinem Siebeneinhalb-Tonner auf den Weg zum Großmarkt macht. Am Tag zuvor hat der Leiter des Ordnungsamts den EDEKAner gebeten, spontan einen Obstverkauf vor dem Wolfsburger Rathaus auf die Beine zu stellen.

Bürger aus der DDR bei ihrer Einreise nach Westdeutschland, aufgenommen am 11. November 1989. Zwei Tage zuvor war die Öffnung der deutschdeutschen Grenze verkündet worden.

Es ist das erste Wochenende nach dem Mauerfall. Zu Tausenden strömen die DDR-Bürger in den Westen, um ihre 100 D-Mark ­Begrüßungsgeld abzuholen – und um einzukaufen. Besonders beliebt sind Lebensmittel, die in Ostdeutschland nur schwer ­erhältlich sind, wie Kaffee, Schokolade und Südfrüchte. Die EDEKA-Geschäfte in Westberlin und in Grenznähe werden förmlich überrannt.

EDEKA-Kaufmann Marco Bahrs kommt mit zwölf Paletten voller Südfrüchte auf dem Wolfsburger Rathausplatz an – und wird auf der Laderampe ­seines Lkw zum „Marktschreier“: „Ich bot Obsttüten mit Bananen, ­Orangen, Kiwis und Ananas an. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen, wie scharf die Leute auf diese Südfrüchte gewesen sind. Ich habe verkauft, was mein Laster hergab. Die Augen der Menschen funkelten. Dieses Funkeln werde ich nie vergessen.“

Im November 1989 erhalten Bürger der DDR 100 D-Mark ­Begrüßungsgeld.

Erstes Treffen zwischen
EDEKAnern aus Ost und West

1990

Zwei Monate nach dem Mauerfall machen sich die beiden Vorstände Joachim Schmidt und Alfons Frenk von der EDEKA Minden-Hannover auf den Weg in die DDR: Am 8. Januar 1990 treffen sie sich in der Staßfurter Gaststätte „Grüner Baum“ mit dem Vorstand der dortigen EDEKA Börde.

Mit dabei sind auch Vertreter der ­staatlichen HO, des Kombinats „Waren des täglichen Bedarfs“ und der Betriebe für Obst, ­Gemüse, Speise-kartoffeln (OGS). Schmidt und Frenk lassen sich die „Nöte und Sorgen der ­hinter uns liegenden Jahre“ erläutern, so das Protokollbuch der EDEKA Börde. Denn wie die übrigen acht in der DDR verbliebenen EDEKA-Genossenschaften wird auch die EDEKA Börde bei Warenzuteilungen benachteiligt und ­leidet unter der Mangelwirtschaft. Als im April 1989 ein Lastwagen kaputtgeht, dauert es Wochen, bis das Ersatzteil beschafft und das Fahrzeug wieder einsatzbereit ist. Nun versprechen sich die EDEKAner aus Staßfurt viel von einer Zusammenarbeit mit der EDEKA Minden-Hannover.

Auch die Mindener haben großes Interesse an einer Kooperation – und strecken deswegen schon vorher ihre Fühler Richtung Osten aus. Anfang Dezember 1989 wird Alfons Frenk beim Ministerrat der DDR vorstellig. Doch die Hoffnung, auf diesem Weg Kontakte aufzubauen, scheitert. Als kurz vor Weihnachten ­endlich ein Brief aus Ostberlin eintrifft, steht darin ­lediglich: „Der Ministerrat der DDR teilt mit, dass die ­Unterlagen weitergegeben werden.“ Deutlich vielversprechender ist die direkte Verbindung zur EDEKA Börde, die die EDEKA Zentrale herstellt, als sie die EDEKA Minden-Hannover mit dem Aufbau Ost in den Bezirken Halle und Magdeburg im späteren Bundesland Sachsen-­Anhalt beauftragt.

Dem ersten Treffen in Staßfurt folgt Anfang ­Februar 1990 ein Gegenbesuch von ­Vertretern der EDEKA Börde in Minden. Noch im selben Monat läuft die Belieferung durch die ­EDEKA Minden-Hannover an. Westware gegen ­Ost-Mark erhalten auch die EDEKA-­Genossenschaften in Bitterfeld und Wittenberg. Daneben ­versorgt die EDEKA Minden-Hannover einzelne ­Geschäfte mit Einrichtungsgegenständen – alles auf eigenes Risiko. Denn noch ist unklar, was mit den Forderungen aus den Lieferungen nach der für Sommer 1990 geplanten Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion passiert und zu welchem Kurs Ost- und Westmark umgerechnet werden.

KLIPPEN UND CHANCEN DER
MARKTWIRTSCHAFT

EDEKAner
IM
FOKUS

Gespannt sieht Kaufmann Claus Hellwig zu, wie die alten Regale aus dem Laden getragen werden und die Deckenverkleidung heruntergerissen wird. Wochenlang hat er gemeinsam mit der EDEKA Berlin den Umbau seines Geschäftes im brandenburgischen Ortrand geplant. Nun, im März 1991, geht es endlich los.

Am 1. Juli 1990 tritt die Wirtschafts-, Sozialund Währungsunion zwischen der Bundesrepublik und der DDR in Kraft. Damit wird die D-Mark auch in Ostdeutschland gesetzliches Zahlungsmittel.

Claus Hellwig hat das 1837 gegründete Geschäft Mitte der 1980er-Jahre von seinen Eltern übernommen, damals noch als HO-Kommissionshandel. Die Warenbeschaffung in der DDR ist schwierig: Hellwig hat gerade einmal 600 Artikel im Angebot, neben Grundnahrungsmitteln wie Mehl, Nudeln und Zucker vor allem Schnaps „in ­Mengen“, so Claus Hellwig. Nach dem Mauerfall nimmt er Kontakt zur EDEKA Berlin auf. Doch der Genossenschaft ist der Lieferweg ins südliche Brandenburg zu weit. Also macht sich Claus Hellwig auf eigene Faust mit seinem Wartburg auf den Weg und kauft vom ­Begrüßungsgeld seiner Familie im Westen Obst und Gemüse. In Ortrand finden die frischen Waren reißenden Absatz: Die Kunden stehen Schlange. So viel Eigeninitiative ­überzeugt die EDEKA Berlin – und sie unterstützt Claus Hellwig ab Ende 1990 bei den Planungen für einen modernen Supermarkt. Nur sechs Monate später ist es so weit: Als eines der ersten neuen EDEKA-Geschäfte in Ostdeutschland eröffnet der EDEKA aktiv markt in Ortrand. Der Berliner Genossenschaft ist Claus Hellwig für die Unterstützung dankbar: „EDEKA hat uns sehr geholfen, vor allem in brenzligen Zeiten. Wir mussten doch erst lernen, was für Klippen und Chancen die Marktwirtschaft hat.“

Zwischen den beiden ­Bildern liegen Welten: Claus Hellwig zu DDR-Zeiten in seinem HO-Geschäft in ­Ortrand (oben) – und gemeinsam mit seiner Frau im umgebauten EDEKA-Markt (unten).

Wer dabei war – ob live oder vor dem ­heimischen Fern­seher – erinnert sich noch ­Jahrzehnte später: Die Öffnung der deutsch-deutschen Grenze ist ein historisches ­Ereignis – und für die ­EDEKAner der ­Beginn einer neuen Ära.

An einer historischen Entwicklung
mitgewirkt

AUBAU
OST

„Es hat uns keiner gerufen. Es hat uns keiner geschickt. Der Geist war: Da ist ein Markt. Da müssen wir hin“, zitiert der ehemalige Vorstandssprecher Dirk Schlüter einen damaligen Kollegen zur Pionierarbeit der EDEKA Minden-Hannover in der Wendezeit und ergänzt: „Da galt es mitzu­mischen, schneller zu sein als andere.“

Mit der Wende verdoppelt sich das Absatz-gebiet der EDEKA ­Minden-Hannover. Überall in Sachsen-Anhalt eröffnen ­EDEKA-Märkte, NP-Standorte und C+C-Betriebe.

Noch vor Einführung der D-Mark in Ostdeutschland läuft im Frühjahr 1990 die Belieferung der Konsum-Filialen im Bezirk Magdeburg an. Um die Geschäfte mit Tiefkühl- und Feinkost sowie Obst und Gemüse versorgen zu können, nimmt am 1. Juli 1990 das EDEKA Frischezentrum Halberstadt den Betrieb auf. Bis 1992 entstehen in Halle, Stendal und Eisleben weitere Lager. Gemeinsam beliefern sie rund 1.200 Einzelhandelskunden.

Neue Kapazitäten schafft die EDEKA Minden-­Hannover auch im C+C-Bereich. Im März 1991 öffnet der erste ­MIOS-Betrieb in Sachsen-Anhalt. Anfangs ist die Saline Halle, wie der Standort in einer ehemaligen Salzsiederei intern heißt, „primitiv hoch drei“: „Der Parkplatz war voller Schlaglöcher“, erinnert sich Jürgen Krahnefeld, ehemaliger MIOS-Geschäftsführer. Mit einem Umsatz von rund 68 Millionen D-Mark im Rumpfgeschäftsjahr 1991 ist der Markt jedoch bald schon der „absolute Star in der MIOS-Gruppe“. 1991 folgen zwei weitere C+C-Betriebe in Merseburg und Magdeburg.

Kurz nach der deutschen Einheit eröffnet die EDEKA Minden-Hannover NP-Märkte in Sachsen-Anhalt.

Weil die ostdeutschen Lebensmittelgeschäfte oft klein sind und seit Jahrzehnten nicht umgebaut wurden, ist die Schaffung moderner Einzelhandelsverkaufs­flächen eine der größten Herausforderungen. Die EDEKA ­Minden-Hannover gibt Existenzgründern und ­Kaufleuten Starthilfe, so auch Gunter Scholz, der im April 1991 in Greppin den ersten EDEKA aktiv markt in Sachsen-­Anhalt eröffnet. Gleichzeitig entstehen groß­flächige ­EDEKA Center als Regiemärkte, anfangs oft in Provi­sorien. So ist das EDEKA Center Magdeburg vor seinem Umzug in den Börde Park in einem Zelt untergebracht. „Im ­Sommer war es so heiß, dass die Schokolade aus den Regalen lief“, erinnert sich Renate Gräfe, damals Disponentin für Süßwaren. Ein weiteres Standbein im Einzelhandel sind Discounter: 1991 eröffnet die EDEKA Minden-Hannover in Erxleben und Kalbsrieth die ersten NP-Märkte in Sachsen-Anhalt. Ein „organisatorischer Kraftakt“, so die Mitarbeiterzeitschrift „wir“, ist im März 1992 die Übernahme von 161 Geschäften der in Konkurs gegangenen Konsumgenossenschaft Halle mit 1.600 Mitarbeitern und rund 41.000 Quadratmetern Verkaufs­fläche. Rasch überträgt die EDEKA Minden-­Hannover die Geschäfte an ostdeutsche Existenzgründer, sodass im Herbst 1992 bereits drei Viertel der Märkte privat ­geführt sind.

Der Aufbau Ost ist eine Erfolgsgeschichte: 1993 gibt es in Sachsen-Anhalt 152 Märkte unter der EDEKA-­Flagge, 46 davon sind in diesem Jahr neu eröffnet worden. Trotz des Konjunktureinbruchs legt der Umsatz der EDEKA Minden-Hannover auf über 4 Milliarden D-Mark zu – und hat sich damit in nur drei Jahren verdoppelt. Mit über 4.000 Beschäftigten ist EDEKA einer der wichtigsten Arbeit­geber im vom Strukturwandel besonders stark ­betroffenen Sachsen-Anhalt. Zufrieden blickt Dirk ­Schlüter zurück: „Wir haben an einer historischen Entwicklung maß­geblich mitgewirkt und von vielen Seiten bestätigt bekommen, einen großen Beitrag zur Wiedervereinigung geleistet zu haben.”

Ausländer sind wir alle. Überall.

Es ist ein engagierter Appell gegen Rassismus: Im Februar 1993 ruft die EDEKA Minden-Hannover die rund 10.000 Mitarbeiter auf, sich für Menschen mit ­Migrationshintergrund starkzumachen.

„Setzen Sie sich für Ihre ausländischen Kolleginnen und Kollegen und Mitbürger und Mitbürgerinnen ein, wenn das erforderlich ist“, heißt es in der Mitarbeiterzeitschrift „wir“. Zwar ist bislang keiner der rund 200 ­EDEKAner mit ausländischen ­Wurzeln Opfer von Fremdenfeindlichkeit geworden, doch im wiedervereinigten Deutschland häufen sich rechte ­Gewalttaten. Im August 1992 zünden Rechtsradikale in Rostock einen vor allem von Vietnamesen ­bewohnten Wohnblock an; wenige Monate ­später sterben in Mölln bei einem von Neonazis verübten Brandanschlag drei Menschen. Unmissverständlich stellt die EDEKA Minden-Hannover klar: „Wir dulden es nicht, daß bei uns Ausländer diskriminiert und verfolgt werden.“

Happy Birthday

1995 feiert die EDEKA Minden-Hannover ihr 75. Jubiläum. Höhepunkt ist eine große Gala in der Stadthalle Minden. Fernsehmoderatorin Sabine Christiansen und Aufsichtsratsvorsitzender Karl-Heinz Preuß führen durch ein buntes Unterhaltungsprogramm.

Anlässlich ihres Jubiläums gründet die EDEKA Minden-Hannover eine gemeinnützige Stiftung: Die EDEKA Minden-Hannover Stiftung verfügt über ein Grundkapital von 1,5 Millionen D-Mark – und unterstützt Menschen, die wegen ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustands auf Hilfe angewiesen oder unverschuldet in Not geraten sind.

1995 gehen je 100.000 D-Mark an karitative Einrichtungen in Minden, Magdeburg und Halle

Einstieg bei Reichelt

1995

Als der Boom nach der Wende abzuflachen beginnt, fragt sich die Führungsriege: „Was tun wir gegen unsere Langeweile?“, erzählt der damalige Vorstand Alfons Frenk augenzwinkernd.

1995 steigt die EDEKA ­Minden-Hannover bei der Berliner Reichelt AG ein, mit groß­zügigen Ladenflächen und einem ausgesuchten Sortiment ein Lebensmittelhändler der Extraklasse. Hier zu sehen der Markt in der Ollenhauer­straße in Berlin-Reinickendorf.

Weil die EDEKA Minden-Hannover vor allem Richtung Berlin expandieren will, übernimmt sie im November 1995 mit 60,15 Prozent die Kapitalmehrheit der Otto Reichelt AG. Zu dem 1903 gegründeten Unternehmen gehören 108 Filialen in Berlin, Sachsen-Anhalt und Brandenburg, ein eigenes Fleischwerk sowie ein Backwarenproduktions­betrieb. Mit einem Marktanteil von fast zehn Prozent – zum Vergleich: EDEKA hat zwei Prozent – ist Reichelt in Berlin eine Institution. Dass die EDEKA Minden ­Hannover bei dem Traditionsunternehmen einsteigt, ist eine Sensation. Der Berliner Wirtschaftsprüfer der EDEKA Minden-Hannover ruft bei Alfons Frenk, damaliger Vorstand, an: „Was habt Ihr denn da gemacht? Hier liegt alles über der Deutschlandkarte und sucht Minden!“

Mit der Beteiligung an Reichelt fasst die EDEKA Minden-Hannover stärker als bisher in den Stadtzentren Fuß. Gleichzeitig dehnt sie ihr Absatzgebiet bis an die deutsch-polnische Grenze aus und gewinnt „eine neue, aussichtsreiche Perspektive für die Erschließung der Märkte im Osten“, so der damalige Vorstand Joachim Schmidt. Vor allem im Raum Berlin eröffnen sich neue Möglich­keiten: Zum 1. Januar 1996 übernimmt die ­EDEKA Minden-Hannover 15 Prozent der EDEKA Handels­gesellschaft Berlin-Brandenburg sowie 51 Prozent ihrer Einzelhandelstochtergesellschaften – eine wichtige Weichenstellung für die spätere Fusion.

Nach dem Einstieg der EDEKA Minden-Hannover läuft bei Reichelt ein umfangreiches Modernisierungs­programm an. 1997 bietet Reichelt als „erster deutscher ­Lebensmittel-Filialist“ Online-Bestellungen an. Gleichzeitig werden Geschäfte renoviert und ­richten sich noch mehr als bisher auf die großstäd­tische Kundschaft aus. So nimmt der „City Shop“ in der ­Berliner ­Knesebeckstraße 1997 warme Mittagsgerichte ins ­Angebot auf und setzt bei Käse sowie Aufschnitt auf eine Mischung aus SB und Bedienung. Um Wartezeiten zu verkürzen, können sich die Kunden gängige, im Markt vorverpackte Produkte aus Kühltruhen vor den Bedientheken nehmen.

Zahlen bitte!

In den 100 Jahren seit Bestehen der Mindener Genossenschaft haben die EDEKA-Kaufleute viele verschiedene Zahlungsmittel angenommen. Ein kleiner Streifzug durch die Währungsgeschichte:

Notgeld

Bis weit ins 20. Jahrhundert lassen die Kunden vor allem in Dörfern und Kleinstädten bei ihrem EDEKAKaufmann „anschreiben“ und begleichen die Rechnung am Monatsende oder wenn sie ihren Lohn bekommen. Als die Mark Anfang der 1920er-Jahre an Wert verliert, gibt die EDEKA ZENTRALE Notgeld heraus. Die Gutscheine können in jedem EDEKA-Geschäft eingelöst werden.

Deutsche Mark

Obwohl sich 1924 mit Einführung der Reichsmark die deutsche Wirtschaft stabilisiert, leiden noch viele EDEKAner unter den „Nachwirkungen der unseligen Inflationszeit“, so die EDEKA Oldenburg.

Die Währungsreform am 21. Juni 1948 ist der Auftakt für das Wirtschaftswunder: Von ihren 60 D-Mark „Kopfgeld“ leisten sich viele Westdeutsche lang entbehrte Lebensmittel, wie Kaffee oder Schokolade. Wenige Wochen später wird am 24. Juli 1948 in der Sowjetischen Besatzungszone die Deutsche Mark der Deutschen Notenbank ausgegeben, später in Mark der DDR umbenannt.

Begrüßungsgeld

Nach dem Mauerfall kaufen Hunderttausende DDR-Besucher mit ihren 100 D-Mark Begrüßungsgeld bei EDEKA ein. Mit Inkrafttreten der Währungsunion am 1. Juli 1990 gilt die D-Mark auch in Ostdeutschland.

Bargeldlos

Seit 1. Januar 2002 ist der Euro gesetzliches Zahlungsmittel in Deutschland. Die EDEKA Minden-Hannover hat sich seit 1997 auf die Einführung der neuen Währung vorbereitet und rund 13 Millionen Euro in die Umstellung investiert. Heute zahlen immer mehr EDEKA-Kunden bargeldlos: mit EC-Karte oder der 2013 eingeführten EDEKA-App über ihr Smartphone.

Eine Erfolgsgeschichte: Anfang der 1990er-Jahre gibt es in Sachsen-­Anhalt mehr als 150 Märkte unter der ­EDEKA-Flagge, hier der EDEKA neukauf in Halle.

AUF DEM WEG INS NEUE JAHRTAUSEND

An der Schwelle zum 21. Jahrhundert bleibt die EDEKA Minden-Hannover auf Expansionskurs: 1998 übernimmt sie die V-Markt Wilhelm Klages GmbH mit 78 Filialen in Niedersachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und im Münsterland.

Bio liegt voll im Trend. Kurz vor Beginn des 21. Jahrhunderts nimmt die EDEKA Minden-Hannover immer mehr ökologisch erzeugte Produkte, wie die damalige EDEKA-Eigenmarke BIO WERTKOST, in ihr Sortiment auf.

Ebenfalls 1998 steigt die EDEKA Minden-Hannover bei der Karl Preuß GmbH ein, mit einem Umsatz von 246 ­Millionen D-Mark der größte Kunde im Absatz­gebiet. Damit sich der Vorstand stärker auf strategische ­Fragen als auf das operative Geschäft konzentrieren kann, gibt sich das wachsende Unternehmen eine neue gesellschaftsrechtliche Struktur – und firmiert ab 30. Dezember 1998 als EDEKA Minden-Hannover Holding GmbH. 2000 und 2001 folgen die Übernahmen von 60 Kaiser’s-­Geschäften sowie von 32 depot-Märkten; 2002 geht ­Reichelt komplett an die EDEKA Minden-Hannover über.

Nachdem EDEKA im Gegensatz zu anderen Lebens­mitteleinzelhändlern bis auf wenige Ausnahmen ausschließlich in Deutschland vertreten ist, wagt die ­EDEKA Minden-Hannover 1997 den Schritt ins Ausland: Zum 1. Januar 1997 übernimmt die neugegründete Tochter­gesellschaft EDEKA Polska von den Familien­gesellschaftern Altmann und der Wein- und ­Sektkellerei ­Jakob Gerhardt Nierstein das Familienunternehmen MDA mit 15 Supermärkten im Raum Danzig. In den Geschäften mit einer Gesamtverkaufsfläche von 15.700 Quadrat­metern sind rund 530 polnische Mitarbeiter ­beschäftigt. Ab März 1997 sind fünf EDEKA-Mitarbeiter vor Ort ­tätig, darunter auch der heutige Vorstand Ulf-U. Plath. Im ­Oktober 1997 entsteht auch eine Standortsicherungs­abteilung bei der EDEKA Polska.

Vorstand mit Visionen: Dirk Schlüter, Joachim Schmidt, Werner Hollmann und Alfons Frenk (v. l.).

Um die Jahrtausendwende steht der Vorstand vor großen Herausforderungen.Die BSE-Krise macht der EDEKA-Tochter Bauerngut zu schaffen.

Im ersten Geschäftsjahr erzielt die EDEKA Polska mit ­ihren 24 EDEKA discount-Märkten einen ­Umsatz von 49 ­Millionen D-Mark bzw. 102,08 Millionen ­Zloty. Bis 2000 steigt der Umsatz auf rund 67 Millionen ­D-Mark (136,74 ­Millionen ­Zloty). Allerdings muss die EDEKA Minden-Hannover bald erkennen, dass der Einstieg in den polnischen Markt eine andere Herausforderung ist als die Wiederaufnahme der Geschäfts­tätigkeit in den ­neuen Bundesländern. Denn der Lebensmittel­einzelhandel funktioniert in Polen ganz anders als in Deutschland: Dort haben 2001 über 90 Prozent der Geschäfte weniger als 50 Quadrat­meter Verkaufsfläche. Gleichzeitig hat die EDEKA Minden-Hannover mit komplexen Einfuhrbestimmungen, inter­nationalen Wettbewerbern und damit zu kämpfen, dass immer wieder Lastwagen mit Lieferungen an der deutsch-polnischen Grenze warten müssen. 2003 zieht sich die EDEKA Minden-Hannover aus dem Auslandsgeschäft zurück.

Das neue Jahrtausend bringt neue ­Herausforderungen mit sich: Nachdem am 24. November 2000 ­erstmals bei einer in Deutschland geborenen Kuh die ­Tierseuche BSE festgestellt worden ist, verzeichnet die ­deutsche Fleisch- und Wurstwarenbranche Rückgänge in ­einem „existenzbedrohenden Ausmaß“, so die EDEKA Minden-Hannover. Entschieden steuert Bauerngut ­gegen. Nach dem Motto „Unsere Wurst zeigt, was in ihr steckt“ stellt die EDEKA-Tochter die hohe Qualität sowie die über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehenden Auflagen an die Produkte heraus – und kann 2001 den Umsatz gegen den Trend auf rund 233 Millionen D-Mark steigern.

Gleichzeitig laufen die Vorbereitungen für die Euro-­Einführung auf Hochtouren. Um die Mitarbeiter in den Märkten fit für die neue Währung zu machen, schult die EDEKA Minden-Hannover rund 8.000 Kassenaufsichten sowie Bezirks- und Marktleiter. Ab Herbst 2001 verteilen die Landeszentralbanken 400 Tonnen Hartgeld an die über 1.100 Geschäfte im Absatzgebiet. Am 31. Dezember 2001 wird es ernst: Nach Ladenschluss werden die Kassensysteme umgestellt. Als die EDEKA-Märkte am 2. Januar 2002 öffnen, ist der Euro die Hauptwährung – und alles klappt reibungslos.