1888-1928
Die Anfangsjahre
1920 schließen sich 34 Kolonialwarenhändler aus Minden und Umgebung zur „Weserkauf“-Einkaufsgenossenschaft zusammen und begründen damit die heutige EDEKA Minden-Hannover. Seit Ende des 19. Jahrhunderts findet die Genossenschaftsidee im Lebensmitteleinzelhandel immer mehr Anhänger und so folgen der ersten, 1888 von Kolonialwarenhändlern und Drogisten in Frankfurt an der Oder ins Leben gerufenen Einkaufsgenossenschaft (Vorläufer von EDEKA) rasch weitere.
Im Ersten Weltkrieg und in den unsicheren Zeiten danach wächst der 1907 gegründete EDEKA Verband auf rund 580 Mitgliedsgenossenschaften an. 1927 tritt auch die „Weserkauf“ dem Verband bei – und kann im Folgejahr ihren Umsatz fast verdreifachen auf 140.400 Reichsmark.
DIE GRÜNDUNG DER „WESERKAUF“
IN MINDEN
Die Ziele der neu gegründeten Genossenschaft sind laut § 1 des Statuts „Kommissions-, Speditions- und Lagerhausgeschäfte mit Lebens- und Futtermitteln und anderen Waren, wie sie Kolonialwarenhändler verkaufen,“ sowie „gegenseitige Unterstützung in wirtschaftlichen und in berufsständischen Angelegenheiten aller Art“.
Die meisten Gründungsmitglieder stammen aus Minden selbst: Allein in der Königstraße gibt es fünf Kolonialwarengeschäfte, deren Inhaber der „Weserkauf“ beitreten. Sechs Kaufleute haben ihre Geschäfte im Umland, unter anderem in Lahde und Holzhausen. Das Gründungsstatut unterschreiben auch eine Handvoll Frauen, darunter Franziska Wienand aus Minden sowie Anna Becker aus Dützen. Noch am Gründungstag bestimmt der frisch gewählte Aufsichtsrat den Mindener Kaufmann Gustav Kirchhoff zum Vorstandsvorsitzenden. Erster Geschäftsführer wird Otto Belbe aus Minden. Genau einen Monat nach dem Gründungstreffen im „Grünen Wenzel“, am 24. Dezember 1920, wird die „Weserkauf“ beim preußischen Amtsgericht Minden unter der Nr. 64 in das Genossenschaftsregister eingetragen.
Die Anfänge sind bescheiden. Eigene Geschäftsräume besitzt die „Weserkauf“ zunächst nicht. Die Mitglieder treffen sich wahrscheinlich in Mindens Gasthäusern und legen dort bei dem einen oder anderen Glas Bier den Einkaufsbedarf für die nächsten ein bis zwei Wochen fest. Die Waren werden anfangs in der Pöttcherstraße in der oberen Altstadt gelagert, vermutlich in Lagerräumen eines Genossen. Per Handkarren oder Pferdefuhrwerk holen die Mitglieder sie ab. Weil die „Weserkauf“ keine Angestellten hat, übernimmt einer der Genossen zusätzlich zu seinem eigenen Geschäft Gemeinschaftseinkauf und Abrechnung.
Am 24. November 1920 kommen 34 Kaufleute aus Minden und dem Umland in der Gaststätte „Grüner Wenzel“ zusammen – und legen den Grundstein für die EDEKA Minden-Hannover. Nach dem Vorbild bereits bestehender Einkaufsgenossenschaften beschließen sie „nach eingehender Besprechung und Beratung der Statuten“, so das Protokoll, die Errichtung der „Weserkauf Kolonialwarenhändler-Bezugsgenossenschaft für Minden und Umgebung“.
DIE ERSTEN
EDEKA-GENOSSENSCHAFTEN
Am 21. August 1888 schließen sich in Frankfurt an der Oder 36 Kolonialwarenhändler erstmals zu einer Einkaufsgenossenschaft zusammen, um gemeinsam bessere Preise auszuhandeln. Angesichts der wachsenden Konkurrenz durch Konsumvereine, Warenhäuser und Filialbetriebe findet die Idee überall im deutschen Kaiserreich rasch Nachahmer. 1898 entsteht mit der „Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler im Halleschen Thorbezirk“ in Berlin das Wort- und Bildzeichen EDEKA. Vor allem in den unsicheren 1920er-Jahren mit politischen Unruhen und wirtschaftlichen Krisen treten zahlreiche weitere Kaufleute den bestehenden EDEKA-Genossenschaften bei oder gründen neue.
- 1888-1890
- 1891-1900
- 1901-1910
- 1911-1920
- 1911 -1928
Bis heute tragen die Mitglieder der EDEKA als selbstständige Kaufleute allein die wirtschaftliche Verantwortung für ihre Geschäfte. Mit ihren Gremien Vorstand, Aufsichtsrat und General-versammlung sind die EDEKA-Genossenschaften basisdemokratisch organisiert.
36
Kolonialwarenhändler schließen sich 1888 zur ersten Einkaufsgenossenschaft in Frankfurt an der Oder zusammen.
Anzahl der EDEKA-Genossenschaften in Deutschland
MESSINGWAAGEN UND ZUCKERTÜTEN
Im Vergleich zu heute sind die EDEKA-Geschäfte der ersten Stunde winzig: Mit rund 30 Quadratmetern sind manche kaum größer als ein Wohnzimmer. Oft befinden sich die Läden im Wohnhaus des Kaufmanns.
Das Herzstück des Verkaufsraums ist ein blitzblank gescheuerter Ladentisch, auf dem große Messingwaagen prangen, die abends auf Hochglanz poliert werden. Hinter dem Verkaufstisch stehen hohe Regale mit unzähligen Schubfächern für Waren. Große Zuckerhüte zieren die Abschlusskanten der Regale.
Die ersten EDEKA-Geschäfte sind reine Bedienläden. Das heißt: Der Kaufmann stellt die Einkäufe für jeden einzelnen Kunden zusammen, berät bei der Auswahl, wiegt die Waren ab, verpackt sie in Papiertüten oder füllt sie in mitgebrachte Gläser und Kannen. Das Sortiment umfasst vor allem Grundnahrungsmittel wie Mehl, Zucker und Gries, daneben Öl, Essig, Senf und Gewürze, Kakao, Schokolade, Wein und Kaffee. Von den EDEKA-Genossenschaften beziehen die Kaufleute anfangs nur das Trockensortiment. Alles andere kaufen sie im privaten Fachgroßhandel. Speiseöl, Essig und Wein werden in 25-Liter-Korbflaschen oder Fässern geliefert, Marmelade und Schmierseife in großen Blecheimern. Kaffee kommt in großen Säcken in den Laden und wird dort auf offenem Koksfeuer geröstet.
Neben losen Waren verkaufen die ersten EDEKA-Kaufleute auch Markenprodukte wie Zwieback oder Suppenwürfel. Die industriell hergestellten und fertig verpackten Waren kommen um die Jahrhundertwende auf, werden allerdings anfangs von manch einem Kunden misstrauisch beäugt, der fürchtet, in den vorgepackten Tüten könne schlechtere Qualität stecken. In der Regel nicht beim EDEKA-Kaufmann erhältlich sind damals Fleisch, Brot, Milch, frisches Obst und Gemüse. All dies besorgt die Hausfrau in Fachgeschäften – und das fast täglich, denn ohne Kühlschrank gibt es kaum Möglichkeiten, frische Lebensmittel für einen längeren Zeitraum zu Hause aufzubewahren.
Bezahlt wird bar oder die Kunden lassen über einen längeren Zeitraum anschreiben und begleichen beispielsweise am Monatsende ihre Rechnungen. Vor allem auf dem Land und in kleineren Städten ist der „Borgkauf“ weit verbreitet. Für den EDEKA-Kaufmann hat das Anschreiben Vor- und Nachteile: Zwar birgt es das Risiko von Zahlungsausfällen, bindet jedoch gleichzeitig die Kunden an sein Geschäft.
Eigene Angestellte haben nur die wenigsten EDEKA-Läden. Meist wird der Kaufmann von seiner Frau unterstützt, auch die Kinder müssen früh mit anpacken. Der Arbeitstag ist lang: Viele EDEKA-Geschäfte haben von morgens um 5 bis abends um 21 Uhr geöffnet, und das an sieben Tagen in der Woche. Erst 1919 beschränkt ein neues Gesetz die Ladenöffnungszeiten von 7 bis 19 Uhr und führt die Sonntagsruhe ein. Doch vor allem auf dem Land hält sich kaum jemand daran und so kommen die Kunden auch weiterhin sonntags oder spätabends zu ihrem EDEKA-Kaufmann.
Neu im Regal!
Um 1900 beginnt auch die Ära der Marken. Viele erfolgreiche Markenprodukte von damals finden sich bis heute im Regal.
ALS FRAU IHREN MANN STEHEN
IM
FOKUS
Mitte November 1915 bekommt Augusta Bilepp aus Roßlau bei Dessau Feldpost aus einem Reservelazarett: Ihr verwundeter Mann Carl stellt ihr eine Generalvollmacht für alle geschäftlichen Angelegenheiten aus.
Wie viele andere Kaufmannsfrauen führt Augusta Bilepp, seit ihr Mann an die Front musste, das Geschäft allein – dank Generalvollmacht nun auch offiziell. Wenige Tage später, am 15. November 1915, trifft sie sich im Roßlauer „Hotel zum Bären“ mit 22 anderen Kaufleuten, darunter viele Frauen – und schließt sich mit ihnen zum „Einkaufsverein der Kolonialwarenhändler zu Roßlau an der Elbe“ zusammen. In die Mitgliedsliste trägt sich Augusta Bilepp unter dem Namen ihres Mannes ein.
Von der EDEKA-Genossenschaft versprechen sich Augusta Bilepp und die anderen Kaufleute Unterstützung in harten Zeiten. Denn zur Sorge um Ehemänner, Söhne und Brüder an der Front und zur oft harten Arbeit im Geschäft kommt die Lebensmittelrationierung. Weil die deutsche Regierung nicht mit einem langen Krieg gerechnet und deswegen keine Vorräte angelegt hat, werden Nahrungsmittel knapp. Ab 1915 werden Grundnahrungsmittel nur gegen Lebensmittelkarten abgegeben, für viele Waren gelten staatlich festgesetzte Höchstpreise. Im Zuge der Lebensmittelzwangsbewirtschaftung ergießt sich eine wahre Flut an Vorschriften über Augusta Bilepp und die anderen EDEKAner: Bis 1918 regeln rund 8.400 Gesetze und 33.000 Verordnungen den Handel mit Nahrungsmitteln. Trotzdem können die EDEKA-Geschäfte im „Steckrübenwinter“ 1916/17 die Bevölkerung nicht einmal mehr mit dem Nötigsten versorgen. Überall im Kaiserreich hungern die Menschen und müssen sich mit Ersatzprodukten, wie aus Bucheckern gepresstem Öl, behelfen.
MILLIARDEN PREISE
IM WINTER 1923 KOSTETE …
1 Suppenwürfel
250.000 MARK
1 Ei
320 MILLIARDEN MARK
1 kg Brot
5,6 MILLIARDEN MARK
1 l Milch
360 MILLIARDEN MARK
1 kg Kartoffeln
90 MILLIARDEN MARK
Deutsche Inflation 1914 bis 1923
Die deutsche Inflation von 1914 bis November 1923 war eine der radikalsten Geldentwertungen in großen Industrienationen. Die Vorgeschichte dieser Hyperinflation findet sich in der Finanzierung des Ersten Weltkriegs.
TELEGRAMM DER EDEKA
WITTENBERG
Mit nur fünf Worten umreißt die EDEKA Wittenberg in ihrem Telegramm an die Industrie- und Handelskammer (IHK) Halle am 8. August 1923 die dramatisch zugespitzte Lage: „mangels fett wird bevölkerung unruhig“.
Überall in Deutschland schießen im August 1923 die Lebensmittelpreise in astronomische Höhen. Während in Berlin ein Pfund Butter Anfang des Monats noch 300.000 Mark kostet, sind es zwei Wochen später bereits 1,8 Millionen Mark. Die EDEKA-Genossenschaften können ihre Mitglieder kaum noch mit Waren versorgen, in manchen Städten kommt es zu Plünderungen und Unruhen. Weil die EDEKA Wittenberg Schmalz aus dem Ausland importieren will, drängt sie per Telegramm auf „erlaubnis devisen beschaffung“. Noch am selben Tag stellt die IHK die gewünschte Devisenhandelsbescheinigung aus.
Das auf diese Weise beschaffte Fett wird die Not in Wittenberg vorerst gelindert haben. Doch die Preise klettern weiter. Auf dem Höhepunkt der Hyperinflation im November 1923 lässt die Reichsbank als höchsten Wert einen Geldschein über 100 Billionen (100.000.000.000.000) Mark drucken. Erst die Einführung der Rentenmark ab 15. November 1923 beendet das Inflationschaos – und ermöglicht der EDEKA Wittenberg ebenso wie den anderen Genossenschaften auf dem Gebiet der heutigen EDEKA Minden-Hannover eine Rückkehr zur Normalität.
Markenentwicklung
BEITRITT DER „WESERKAUF“ ZUM
EDEKA VERBAND
Einstimmig beschließt die Generalversammlung der Mindener „Weserkauf“ am 30. Oktober 1927 den Beitritt zum EDEKA Verband und zur EDEKA ZENTRALE.
Bis jetzt hat die Genossenschaft nicht so recht Tritt gefasst: Mit 49.400 Reichsmark ist der Umsatz überschaubar, die Zahl der Mitglieder ist auf 29 gesunken – fünf weniger als im Gründungsjahr. Im Vergleich zu den Genossenschaften in Bremen und Berlin mit mehreren Hundert Mitgliedern und Jahresumsätzen in Millionenhöhe ist die „Weserkauf“ ein kleines Licht.
Das soll sich mit der EDEKA-Mitgliedschaft ändern. Ausschlaggebend für den Beitritt zum 1907 gegründeten EDEKA Verband sind für die Mindener vermutlich die Vorteile beim Warenbezug. Denn als Teil der EDEKA-Familie mit inzwischen knapp 600 Mitgliedsgenossenschaften profitiert die „Weserkauf“ von den günstigen Konditionen, die die EDEKA ZENTRALE mit den Lebensmittelproduzenten aushandelt. Außerdem können die Mindener Genossen nun auch die EDEKA-Eigenmarken anbieten, darunter Mehl, Margarine, Nudeln, Frucht- und Gemüsekonserven sowie Malzkaffee.
Attraktiv ist auch die Unterstützung bei der Werbung. Die Reklameabteilung des EDEKA Verbands stattet die Kaufleute mit Plakaten, Prospekten und Flugblättern aus und bietet eine Zeitschrift zur kostenlosen Verteilung in den Geschäften an: Mit Nähanleitungen, Rezepten und Fortsetzungsromanen richtet sich „Die kluge Hausfrau“ in erster Linie an die weibliche Kundschaft. Gleichzeitig finden die Mitglieder der „Weserkauf“ Anregungen für die Einrichtung ihrer Geschäfte und die Schaufenstergestaltung in der Verbandszeitschrift „handelsrundschau“sowie im Jahr 1925 erstmals aufgelegten Ratgeber „Das Schaufenster des EDEKA-Kaufmanns“. Für die Faschingszeit empfiehlt das Buch ein Themenfenster mit „Papierschlangen, Konfetti, allerlei Karnevals-Tand und wohl auch ein in der Ecke sitzender Kater, der, in Verbindung mit umgefallenen Weinund Likörflaschen, auf das lustige Treiben zu diesen Karnevalsfesten hinweist“. Nach dem Beitritt zum EDEKA Verband geht es für die „Weserkauf“ bergauf: 1928 können sich die Mindener über einen Jahresumsatz von 140.400 Reichsmark freuen – im Vergleich zum Vorjahr hat sich der Umsatz damit fast verdreifacht.
Bremer bunte Finken
Eintopf aus weißen und grünen Bohnen mit Schweinebauch, Kartoffeln, Porree, Zwiebeln und Petersilie
Berliner Beamtenstippe
gebratenes Schweinemett und rustikaler Kartoffelstampf
Gebackener Spreewald-Aal
in Weißbierteig gebacken, mit Kräutersoße serviert
Falscher Hase
Hackbraten
Dithmarscher Mehlbeutel
mit geräuchertem Schweinebauch
Fotzel-Schnitten
oder Armer Ritter
Rheinische Pepse
sauer eingelegter Braten aus der Schweinekeule
Beliebte Rezepte
Steckrüben
Brotsuppe
Thüringer Rotwurst
mit sauren Specklinsen
Sahnegulasch mit Butternudeln
Kohlrüben mit gebackenen Pfahlmuscheln
Thüringische Zampe
Kartoffelbrei
Erbswurst mit Speck und Kartoffeln
Salzfleisch mit Sauerkraut
Gekochter Stockfisch mit Senfsoße
Haferschleim
Abgebräunte Kalbsfüße
Kartoffelmehlsuppe